Absatzwirtschaft

Volltreffer und Fehltritt trennt manchmal nur ein falsches Wort

Dezember 2005
 
Die Kaufkraft der in Deutschland lebenden Auslander und Aussiedler wird haufig unterschatzt. Dabei gibt es hier allein fast sechs Millionen turkisch stammige und russischsprachige Burger. Werbungtreibende tun sich oft schwer, diese Zielgruppenanzusprechen.
 
Von der Telefongesellschaft Otelo ist nicht viel ubrig geblieben nach der Ubernahme 1999 durch Acor. Von ihrer an Turken in Deutschland gerichteten Werbekampagne sprechen Kenner des Ethno-Marketing jedoch heute noch. Damals war fast jeder dritte turkische Haushalt hierzulande innerhalb kurzer Zeit Otelo-Kunde geworden. Die bestechende Marketing-Idee: Otelo verpflichtete sich, fur jeden Neuabschluss einen Baum in erosionsbedrohten Gevieten in der Turkei zu pflanzen. Auf diese Weise entstand der so genannte „Otelo-Wald“ mit 220 000 aumen, wofur das Unternehmen sogar den turkischen Umweltpreis bekam. Mit der Werbung traf Otelo die turkische Seele, in der Begriffe wie Heimat, Wurzeln, Natur, Emotion eine besondere Rolle spielen.
 
Unentdecktes Potenzial
Mehr als zweieinhelb Millionen turkischstammige Menschen leben in Deutschland. Unter den Auslandern sind sie mit einem Anteil von rund 25 Prozent die mit Abstand großte Gruppe. Eine weitere bedeutende ethnische Minderheit sind die 3,2 Millionen russischsprachigen Burger hierzulande, zum uberwiegenden Teil deutsche Aussiedler aus der ehemaligen UdSSR. Allein diese Zahlen lassen erahnen, welches wirtschaftliche Potenzial sich durch eine gezielte Kommunikation bewegen lasst. Doch viele Unternehmen beschaftigen sich nur unzureichend mit diesen Zielgruppen. Das bestatigt die Studie „Marketing Trends“ von Anja Forster und Peter Kreuz. Danach halten 77 Prozent der befragten 546 Marketing-Praktiker Ethno-Marketing fur „weniger wichtig“ oder gar „unwichtig“. Unter 16 genannten Spielarten des Marketing schnitt diese Disziplin am schlechtestan ab. Das Ergebniss passt zur Einschatzung von Kezban Kormaz, Grunderin und Geschaftsfuhrerin des Werbedienstleisters Euro Turk Media in Offenbach. „Ohne nachvollziehbare Grunde lassen deutsche Unternehmen gro?e Potentiale der deutschturkischen Zielgruppe bisher ungenutzt“, sagt sie. Dabei wird die Zahl der in Deutschland lebenden Turken bis zum Jahr 2010 auf etwa drei Millionen steigen. Sie verfugen schon heute uber die Kaufkraft des Saarlandes, namlich rund 18 Milliarden Euro im Jahr. Gemessen am Bevolkerungsanteil und der Mediennutzung musste die deutsche Wirtschaft zehnmal Werbung in turkischsprachigen Medien schalten, als die es derzeit tun. Kormaz rechnet vor: „Tatsachlich werden 20 Millionen Euro pro Jahr aufgewandt, es mussten aber mindestens 200 Millionen sein“. Das durfte zudem gut angelegtes Geld sen. Der uberwiegende Teil des Haushaltseinkommens turkischer Familien flie?t in den Konsum, au?erdem sind sie sehr marken- und qualitatsbewusst. Hier schneiden sie im Vergleich zu Deutschen sogar besser ab.: Selbst bei Produkten des taglichen Lebens sind 71 Prozenr der Turken nach eigener Einschatzung „sehr anspruchsvoll“, bei den Deutschen sind es nur magere 16 Prozent,wie aus einer Präsentation des Münchner Werbedienstleisters Arbomedia hervorgeht. Außerdem sind Türken eher bereit, für Markenartikel mehr Geld auszugeben. Im   Marketing   für ethnische Gruppen müssen Unternehmen nicht mit einem solch hohen Maß an Werberesistenz rechnen, wie es bisweilen bei deutschen Verbrauchern festzustellen ist. Gerade die Russen in Deutschland zeigen sich sehr aufgeschlossen. „Sie kennen Werbung erst seit etwa 15 Jahren und sind noch sehr neugierig darauf, sagt Anna Kadinowa, Marketing-Leiterin des Berliner Medienunternehmens Rusmedia RR, das die 1996 gegründete Wochenzeitung „Russkaja Germanija" herausgibt und den Sender „Radio Russkij Berlin 97,2 FM" betreibt. Kadinowa fügt hinzu: „Anzeigen lesen sie oft wie einen Roman." Was sie damit meint: Russen lassen sich durch Werbung gerne unterhalten, sie schätzen Humor und Lebendigkeit. „Wer es versteht, in seiner Anzeige oder seinem Spot eine kleine, emotionale Geschichte zu erzählen, wird schneller einen Zugang zur russischen Mentalität finden", so Kadinowa.

FETTNÄPFCHEN LAUERN
Umso wichtiger ist, dass sich Werbungtreibende mit ethnischen Zielgruppen näher beschäftigen. Sonst ist die Gefahr groß, dass sie durch unbedachtes Handeln schnell außen vor sind. So So wollte Media-Markt sein Sparschwein-Motiv zuerst auch für russische Werbung einsetzen, erkannte aber noch rechtzeitig das Problem: Russen kennen kein Sparschwein. Während in diesem Fall die Werbebotschaft eben nicht verstanden worden wäre, trat ein Telefondienstleister vor einigen Jahren kräftig ins Fettnäpfchen, als er den Claim „Kein Schwein ruft mich an" für die türkische Zielgruppe übersetzen ließ. Schweine sind für Muslime unreine Tiere und daher ganz schlechte Werbefiguren.

WISSEN UBER WERTE FEHLT
„Wenn es um die Ansprache ethnischer Gruppen geht, sollten Kreative, Media-agenturen und Werbungtreibende eng zusammenarbeiten, um den Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe gerecht zu werden", sagt Oliver Roth, Geschaftsfuhrer Pilot Media, Munchen. Dass Unternehmen wie die Telekom eigens muttersprachliche Texter fur ihre Ethno-Werbung einsetzt, unterstreicht die diffizile Aufgabe - und wird von Marktexperten wie Euro-Turk-Media-Chefin Korkmaz begru?t. Denn „es ist nicht damit getan, vorhandene Anzeigen zu ubersetzen und TV-Spots zu synchronisieren", sagt sie. „Man muss die Tabus der jeweiligen Nationalitaten kennen, deren .Humor und deren Werte."

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