Berliner Wirtschaft

April 2005

Russen in Berlin - das ist mittlerweile ein Begriff: Man hört Russisch in der Stadt, lacht über die Geschichten von Wladimir Kaminer, steht Schlange am Eingang der „Russendisko" und sieht immer wieder Schilder in kyrilli­scher Schrift - an Reisebüros, Lebensmittel­geschäften, Hotels. Die Presse bezeichnet die rauschenden Feste „nach russischer Art" sogar als die gefragtesten Events in der Stadt. Doch wer sind eigentlich diese Menschen, warum "kommen sie nach Berlin und welche Rolle spielen sie in der Berliner Wirtschaft?

In den vergangenen zehn Jahren sind insge­samt 3,2 Mill. Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland zugewandert. Allein in der deutschen Hauptstadt leben heu­te über 220 000 russischsprachige Bürger, die sich als Berliner verstehen. Ihre Zusammen­setzung ist heterogen - sowohl in sozialer als auch in kultureller Hinsicht. Die beiden Haupt­gruppen stellen deutsche Spätaussiedler und sog. jüdische Kontingentflüchtlinge dar. Wäh­rend die Aussiedler hauptsächlich aus den ländlichen Gegenden Kasachstans, Sibiriens und des Wolga-Gebietes stammen, kommen die jüdischen Kontingentflüchtlinge überwie­gend aus den Großstädten der ehemaligen UdSSR.
In Berlin finden die nissischen Zuwanderer Möglichkeiten vor, die ihnen in der früheren Sowjetunion verschlossen waren: ein höherer Lebensstandard, bessere Bildungschancen, mehr gesellschaftliche Freiheit. Viele von ihnen werden Unternehmer, um sich so ihren Lebensunterhalt zu verdienen: Die IHK Berlin hat derzeit 600 Mitgliedsuntemehmen, die von russischen Staatsbürgern geleitet werden. Hin-zu kommen noch zahlreiche Unternehmer, die die Staatsbürgerschaft anderer ehemaliger Sowjetrepubliken besitzen: Ukrainer, Kasa­chen, Balten, Weißrussen, Moldawier - um hier nur einige zu nennen. Viele Unterneh­mensinhaber und Geschäftsführer verfügen bereits auch über die deutsche Staatsbürger­schaft.

Wichtige Brückenfunktion
Insgesamt kann man von etwa 1000 Berliner Unternehmen ausgehen, die einen russischen Hintergrund haben. Sie stellen einen bedeu­tenden und wachsenden Wirtschaftsfaktor in der Stadt dar. Außerdem kommt ihnen eine wichtige Brückenfunktion zu: Sie verbinden Berlin und Deutschland mit den jeweiligen Herkunftsländern und ihren Märkten. Viele russische Zuwanderer gründen zunächst Im­port-Export-Unternehmen oder Dienstleis­tungsfirmen wie Wäschereien, Änderungs-schneidereien oder Schuhreparaturdienste. Später entwickeln sie sich weiter und steigen um auf Reisebüros, Restaurants oder Hotels. Überdies entstehen Arztpraxen, Anwaltskanz­leien, Architektur- und Ingenieurbüros, Kon­zertagenturen sowie EDV-, Bau- und Medien­unternehmen.

Gefragte Insider-Kenntnisse
Charakteristisch bei der Entwicklung von rus­sischen Unternehmen in Berlin ist die beson­dere Zielgmppenorientierung: Gerade zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit kon­zentriert man sich überwiegend auf seine Landsleute als Kunden und orientiert sich anderen Besonderheiten und Bedürfnissen. Insider-Kenntnisse über die Herkunftsländer und bestehende Verbindungen dorthin spielen eine große Rolle. Dies gilt nicht nur für Import-,', Export-Unternehmen, sondern auch für den Bereich der Unternehmensberatung. Hier wer­den sowohl deutsche Firmen beraten, die sich in der ehemaligen Sowjetunion neue Märkte erschließen wollen, als auch russische Unter­nehmen, die etwas in Deutschland erreichen möchten - angefangen bei Messepräsenzen bis hin zu Firmengründungen und Investitio­nen.

Eine russisch-deutsche Erfolgsgeschichte
Ein gutes Beispiel für unternehmerischen Erfolg von russischen Zuwanderern ist Dimi-trij Feldmann. Er ist geschäftsführender Gesell­schafter der Verlagsgruppe Russkaja Germa-nija. Diese gibt die überregionale Zeitung Russkaja Germanija sowie vier regionale Wochenzeitungen in Berlin, Hamburg, Düs­seldorf und Nürnberg heraus. Zudem publiziert die Gruppe das TV- und Freizeitmagazin "7+7ja", betreibt den Radiosender Radio Russ-kij Berlin 97,2 FM und vertritt den Fernseh­sender NTW-World auf dem europäischen Markt. Feldmann: „Unsere Familie ist seit 14 Jahren in Deutschland. Mein Bruder hat sein Leben lang als Redakteur gearbeitet und so sagte er: 'Lass uns hier in Berlin eine Zeitung für unsere Zuwanderer gründen'. Wir haben nicht lange überlegt, weil uns klar war: Bedarf ist da. Wir sind erfolgreich geworden trotz aller Schwierigkeiten. Unsere Offenheit bringt Flexibilität mit sich und einen unverbrauch­ten Blick für immer neue Herausforderungen."

Gleichberechtigte Wirtschaftspartner
Mittlerweile haben sogar viele deutsche Unter­nehmen das Medienangebot der Verlagsgrup­pe für sich entdeckt. Feldmann erzählt: „Vor sieben bis acht Jahren waren unsere Werbe­kunden überwiegend Unternehmen mit russi­schem Hintergrund, die ihre Leistungen an russische Kunden verkaufen wollten: Reise­büros, Lebensmittelgeschäfte, Friseure. Mitt­lerweile entdecken immer mehr deutsche Un­ternehmen, dass über unsere Zeitungen, Zeitschriften und unser Radio neue Kunden gewonnen werden können - konsumorientiert und kaufkräftig." Trotz dieses Erfolges wünscht sich Feldmann eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: „Unser Wunsch wäre eine intensivere Zusammenar­beit mit verschiedenen Partnern in der Stadt, sowohl auf institutioneller als auch auf fach­licher Ebene. Wir möchten als gleichberech­tigter Partner in Wirtschaft und Medien in der Berliner Landschaft verstanden werden."

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