Der Tagesspiegel

Katastrophen und Kapitalismus
 
Wie die Feldmann-Brüder aus '' Russkij Berlin'' ein großes Geschäft machen wollen

Februar 2001

von Kerstin Kohlenberg
 
Am Anfang war ein Keller, dann kam ein Hinterhaus, und wenn ihre Zeitung weiter so wächst, wie sich das Dmitrij und Boris Feldmann vorstellen, dann wird bald ein Platz im Vorderhaus nötig werden. Denn ihre Zeitung ''Russkij Berlin'' ist vier Jahre nach der Gründung die größte Russischsprachige Zeitung Berlins.
Vor zehn Jahren kamen die Brüder Feldmann aus Riga in Lettland nach Ost-Berlin.
Dmitrij war 25 Jahre und Bauingenieur, sein Bruder 32 und Journalist. In Riga besaßen sie ein kleine Werbeagentur, davor arbeiteten beide bei der Zeitung ''Sowjetische Jugend''.
''Man kann sagen, das die beiden in Riga, mit dem Kommunismus im Rücken, die puren Demokraten waren'', sagt Wladimir Kaminer, der gemeinsam mit den Feldmann-Brüdern nach Ost-Berlin gegangen war und nun, neben einigen Deutschen Zeitungen, auch für ''Russkij Berlin'' schreibt.

Demokraten sind die Feldmanns auch in Berlin geblieben. Vor dem Hintergrund der deutschen Demokratie wirkt ihr Standpunkt und der ihrer Zeitung eher konservativ. Ein Standpunkt, den sie mit den meisten älteren Russen in Deutschland teilen. '' Die Russen sind eben einen Staat gewöhnt'', sagt Kaminer. ''Im Westen angekommen, haben sie jeden Tag das Gefühl, morgen bricht alles zusammen.
Sie haben eine Wahnsinnsangst vor Anarchie. Was diese Menschen verbindet, ist so eine Art Katastrophen Gefühl.''
Dieses Gefühl nimmt sich die Zeitung an.

In der Aktuellen Ausgabe ist der Aufmacher einer Geschichte mit dem Titel: ''Kauft Deutschland Kaliningrad für 60 Milliarden Mark?'' Dazu ist ein Bild zu sehen, auf dem Männer vor ihrem Haus im Schnee Holz sägen. Eine Bildunterschrift fehlt. Es folgen Nachrichten der letzten zwei Wochen: das Schröder-Fahndungsplakat, der Spendenausschuss und Kohl, die Uranmunition. Auf den Berlin-Seiten  
gibt es Russische Veranstaltungstipps, und auf den hinteren Seiten stehen zwei Geschichten über russische Wunderkinder sowie die russische Sänger-und Schauspieler legende '' Wladimir Wysotzky. Geschichten, die das gute alte Russland Gefühl aufleben lassen. Für das schlechte neue Kapitalismus Gefühl gibt es eine regelmäßige Seite über Kriminalität- stets mit dem warnenden Tenor, dass nur härtere Strafen die Ordnung garantieren könnten. In der neusten Ausgabe steht ein Text über die erste Wählergemeinschaft russischer Aussiedler in Hannover. Überschrift: ''Wir haben es satt, uns als Menschen dritter Klasse zu fühlen.'' Wichtigste Beilage sind ein Rätselheft und das Programm der russischen Fernsehsender.
Für den in Berlin lebenden russischen Schriftsteller Friedrich Gorenstein ist ''Russkij Berlin'' einfach eine miserable Zeitung ohne Kultur. Für Wladimir Kaminer dagegen ist es eine Zeitung für die 50-jährigen, in der Regel Arbeitsloser Russen, die reichlich Stoff haben wollen, um sich zu ärgern: '' Auch die haben das Recht auf eine Zeitung .'' Und außerdem, so Kaminer, habe die Feldmanns viele Arbeitsplätze für Russen geschaffen.

In Berlin, rechnet Dmitrij Feldmann vor, gibt es 100 000 potenzielle Leser. 30 000 russische Juden, die in der Regel gut ausgebildet sind, der Rest Spätaussiedler mit dem Deutschen Pass, russischer Sprache und schlechter Ausbildung. In ganz Deutschland sind es entsprechend mehr. Deshalb hat Feldmann den Ableger ''Russkaja Germanija'' für ganz Deutschland und 1999 ''Rheinskaja Gazeta'' für das Rhein-Ruhrgebiet gegründet. Ihr Ziel: '' Russkij Berlin'' soll eine Tageszeitung werden.
Mit vier Leuten haben die Feldmanns vor fünf Jahren angefangen. Boris, der Journalist, wurde Chefredakteur und Dmitrij Geschäftsführer. Mittlerweile beschäftigen die beiden 30 Mitarbeiter in Berlin, einen in München und Lübeck und fünf in Düsseldorf. Der Preis ist auf 2,20 DM gestiegen, der Umpfang von 12 auf 32 Seiten. Die Auflage klettert ebenfalsständig: Alle drei Zeitungen zusammen kommen auf 84 000 Exemplare. Die jungen Russen erreichen die Feldmanns mit ihrer Zeitung jedoch nicht. Die lesen laut Kaminer lieber englische oder Deutsche Zeitungen. Im März bringt der Verlag deshalb ein deutschsprachiges Monatsheft heraus, den ''Russland Insider Reporter''. Ein Heft, das ausschließlich über Russland berichtet und daher wohl eher Arbeitsplätze für, als Leser unter den Russen schaft.

Die Feldmanns beschränken sich aber nicht auf Zeitungen. ''Wir wollen ein ganz normales Geschäft aufbauen'', sagt Dmitrij. Ein Russisches Geschäft. Vergangenes Jahr haben sie sich um eine Radiofrequenz beworben, die dann das FAZ.Radio bekam. Im Moment überlegen sie, ein russisches Wählerbündniss zu gründen, um in Zukunft mal an einen russische Partei denken zu können.

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