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Süddeutsche Zeitung
Der Pädagogische Zeigefinger
'' Emotional-raffiniert'': Wie sich die russischsprachige Wochenzeitung ''Russkij Berlin'' ihren Erfolg erklärt.
April 2001
Die Brüder Feldmann sind die Chefs der russischsprachigen Wochenzeitung ''Russkij Berlin''. 1996 mit 12 Seiten und einer Auflage von 5 000 Exemplaren erstmals erschienen, feiert das Blatt nun sein Fünfjähriges Jubiläum- mit inzwischen 32 Seiten und insgesamt 80 000 Exemplaren. Sieben Redakteure und fünfzig freie Mitarbeiter arbeiten für die Zeitung. Und so verkörpern Verlagsleiter Dmitrij und Chefredakteur Boris Feldmann den Traum von erfolgreichen russischen Einwanderern.
Dmitrij Feldmann kann eine kurze, stolze Geschichte erzählen: 1996 ''Russkij Berlin'', 1997 ''Russkaja Germanija'', 2000 ''Reinskaja Gazeta''. Auf drei Varianten also wird das Zeitungsprojekt mittlerweile gestreckt. Von Rückschlägen reden sie hier nicht gern. Jetzt nämlich wollen die Feldmanns mit eigenen.
Lokalausgaben auch auf den Hamburger und auf den bayrischen Markt drängen. Außerdem soll die Wochenzeitung irgendwann einmal als Tageszeitung erscheinen. Sie sei nicht nur die größte russischsprachige Zeitung Berlins, sondern des gesamten nichtrussischen Auslands, sagt Dmitrij Feldmann. Konkurrenz? ''Gibt es nicht'', sagt er lapidar, ''auch wenn das wenig bescheiden klingt.''
Die beiden Brüder, die vor zehn Jahren aus Riga nach Berlin gekommen sind, haben sich an niemanden orientiert: ''Die Zeitung sollte schon immer so sein, wie sie ist'', sagt Boris Feldmann, der zuvor bei der kommunistischen Jugendzeitung ''Sowetskaja Molodesch'' in Riga gearbeitet hat. Bruder Dmitrij führt den Erfolg der Zeitung auf das gute Marketing Konzept zurück, für das er verantwortlich ist- und schlicht auf die Tatsache, dass die Zeitung alle Bedürfnisse befriedige.
Drei Seiten Politik, drei Seiten Berlin, Vermischtes und Unterhaltendes, ein großer Teil mit kostenlosen Privatanzeigen, Fernsehprogramm, Rechtsberatung für Aussiedler und Kontingentflüchtlinge.
Und auf einer Doppelseite unter dem Motto '' Ein Sechstel. Wo die Sowjetunion war'' darf Weißrussland´s Präsident Alexander Lukaschenko über den Westen schimpfen.
Die Zeitung trifft das Lebensgefühl der russischsprachigen Emigranten. Ihre Hirne würden hier oft von der Sozialhilfe abhängen, sagt Feldmann. Einmal hat sich eine Leserin danach erkundigt, ob es gesetzlich erlaubt sei, das Akademiker putzen gehen. Die Seite über russische Wunderkinder lässt die russische Geisteskraft dann aber im rechten Licht erscheinen. Die russischen Emigranten ''suchen die ganze zeit einen Grund, warum sie eigentlich hergekommen sind und wie sie der deutschen Gesellschaft nützlich seien können'', sagt Boris Feldmann. Ihre Bemühungen scheiterten aber meist an den schlechten Sprachkenntnissen, vor allem der über 40- jährigen.
Die etwa drei Millionen starke russischsprachige Minderheit werde von der deutschen Gesellschaft kaum wahr genommen, wird beklagt. ''Deutsche Politiker haben kein Interesse daran, uns Interviews zu geben, und bei Wahlen wirbt auch niemand um unsere Stimmen.''
Aber es ist nicht nur die Missachtung durch die deutsche Gesellschaft. Die Verringerung der Quoten für deutschstämige Aussiedler, die oft langwierige Ausstellung der deutschen Staatsbürgerschaft für jüdische Kontingentflüchtlinge- das seien die Probleme, die seine Leser am meisten beschäftigten, sagt Boris Feldmann. '' Aber insgesamt ist eine gute Zeit angebrochen für unser Publikum.'' Feldmanns Zeitung hat quer durch die Ressorts eine Botschaft: Die Staatsmacht müsse hart durchgreifen gegen Verbrechen aller Art. Damit wird eine Populäre russische Haltung aufgegriffen.
Überhaupt ist das Blatt ganz im Stil russischer Zeitungen geschrieben, ''emotional-raffiniert'', wie Feldmann sagt, statt ''kalt informativ''. Ein Redakteur sagt: '' Die Russen brauchen eine Erklärung, nur Informationen wären für sie zu langweilig.'' Daher müsse ein russischer Journalist immer auch belehren und erziehlen.